HÖRERLEBNIS 28: Rehdeko


Lautsprecher: RK 145 von Rehdeko

Man liebt sie oder man haßt sie ...

von Marco Kolks

Die RK 145 von Rehdeko findet man in keinem Testspiegel der gängigen Fach-Publikationen. Also ist der Name den meisten Konsumer- Hifiisten sowieso unbekannt. Doch einer kleinen Fangemeinde, die auch in Deutschland ihren festen Nieschenplatz einnimmt, klingelt es in den Ohren, wenn sie auf Schallwandler dieses französischen Herstellers angesprochen werden. Dann hat man sich als kompetenter Gesprächspartner geoutet, weil der Blick über den highfidelen Tellerrand hinwegreicht. Akzeptanz wird selbst dann gezollt, sollte einem der Zugang zu diesem Instrument, wie ihn die Besitzer stolz nennen, verschlossen bleibt. Denn alle, die mit Rehdekolautsprechern einmal zu tun hatten, sind sich einig: man liebt sie oder man haßt sie. Vor allem die Optik spaltet die Betrachterriege. Während die einen aufgrund der Chassisanordnung Ähnlichkeiten mit einem “Hasen” sehen wollen oder das Nostalgieherz aufgeregt für die 60er Jahre-Optik schlägt, winken die übrigen ob des “grottenolmhäßlichen Designs” ab.
Der Kopf hinter den französischen Herstellerkulissen heißt Weber Rehde. Als diplomierter Ingenieur, gelernter Instrumentenbauer und Profimusiker verfügt er über weitreichende Erfahrung auf dem Gebiet der Chassisentwicklung, denn er war maßgeblich an der Entwicklung der Audax-Hochtöner HD 100 und HD 34 beteiligt. Um die eigenen Ansprüche kompromißlos umzusetzen, legt Weber Rehde allergrößten Wert darauf, daß nur ein Minimum an Materialien zugekauft wird. Schwingspulen, Kleber und sogar die Lacke (ein Jahr Lagerung ist obligatorisch) fertigt er selbst. Nach Möglichkeit finden Substanzen nicht natürlicher Herkunft keine Verwendung. Und im engeren Sinne darf man sogar von echten Öko-Speakern sprechen. Der Verzicht auf Kunststoff hat in erster Linie klangliche Gründe. Nach Auffassung des Konstrukteurs besteht eine zwingende inhaltliche Verbindung von Kunststoff und der Eigenschaft “künstlich”, was seinen Lautsprechern sehr abträglich wäre.
Auf der Suche nach einer möglichst naturgetreuen Wiedergabe geht Weber Rehde einen völlig anderen Weg als seine Mitbewerber. Dabei liegt folgende Überlegung zugrunde: ein Klang setzt sich zusammen aus einer reinen Frequenz, dem Grundton, und aus zahlreichen mehrfachen Frequenzen dieses Grundtons, den Harmonischen. Während die Frequenz des Grundtones die Note definiert, geben die Harmonischen ihr Fülle und Leben, charakterisieren also die Klangfarbe. Nun ist kein Lautsprecher in der Lage, den Klang eines Instrumentes exakt wiederzugeben. Jeder fügt hinzu, läßt weg, verstärkt und verändert und entfernt sich damit von der Realität und dem Original.
Der findige Entwickler sieht einen wichtigen Lösungsansatz in der Verbesserung der Membranen. Sie sind das Glied des Lautsprechers, das die Qualität und die Art einer Wiedergabe am entscheidensten bestimmt. Frequenzweichen und Baßreflexöffnungen dienen nur dazu, erhaltene Resultate zu korrigieren. Deshalb entwickelte Weber Rehde neue Meßmethoden und Membranbehandlungen, die inzwischen patentiert wurden. Die vollständige Imprägnierung mit natürlichen Essenzen in verschiedenen genau abgegrenzten Zonen führt nach Ansicht des Franzosen zu einer geringen Auslenkung der Membranen und so zu einer besseren Selbstkontrolle des Lautsprechers. Gleichzeitig kann teilweise auf Frequenzweichen verzichtet werden. Somit entfallen unvermeidbare Phasenverzerrungen. Zudem verspricht er sich davon eine gleichbleibende Qualität bei der Wiedergabe kleiner wie sehr hoher Pegel. Mit einem Wirkungsgrad von 102 dB können mit der RK 145 selbst ohrenbetäubende Lautstärken locker gefahren werden.
Die beiden ovalen, senkrecht stehenden und koaxial konstruierten Hochtöner fallen sofort ins Auge. Die Anwendung von Membranen mit derart großen Abmessungen ist in diesem Frequenzspektrum sonst eher selten, aber wohl nötig, um Grund- und Obertöne wiedergeben zu können. Die Chassis, sie sitzen in eigenen Gehäusen, sind unterschiedlich beschichtet, wobei ein Hochtöner bezüglich der Wiedergabe etwas höher spielt als der andere (bis 200 kHz) und sich dann aber im tieferen Frequenzbereich etwas früher ausklinkt. Ihnen vorgeschaltet ist je ein Kondensator gleichen Typs, der den Hub sehr gering hält. Die Baßarbeit wird dann hinunter bis 24 Hz von ebenfalls einem Breitbandchassis übernommen.
Das Abstrahlverhalten ist ungerichtet oder wie es in der Fachsprache heißt, omnidirektional. Ein Fixpunkt direkt vor den Lautsprechern ist daher nicht mehr unbedingt Pflicht. Selbst hinter den frei im Raum aufgestellten Lautsprechern klingts noch ganz gut.
Die Gehäuse bestehen aus massiver Buche, die in dünnen Lagen geschnitten und anschließend kreuzweise zu 20 mm starkem Schichtholz verleimt wird. Die so erreichte hohe Dichte erinnert an den Instrumentenbau. Und so soll auch nach den Vorstellungen Weber Rehdes ein Lautsprecher funktionieren. Die Öffnung auf der Schallwand ist daher auch keine Baßreflexöffnung, sie sorgt für die richtige Ventilierung. Das macht Sinn, vor allem wenn man bedenkt, daß nicht das Gehäuse eines Kontrabasses klingt, sondern nur seine “kleinen Löcher”.
Als Boxenständer wurde von Reson ein leichtes Alugestänge entwickelt. Die RK 145 ruht darin auf drei Spikes, 2 vorne unten, 1 Spike hinten. So wird die überschüssige Schwingungsenergie abgegeben, was zu einer besseren Durchzeichnung, einer höheren Dynamik und einer besser definierten Raumsabbildung führt.
Rehdeko-Lautsprecher werden in Deutschland von einer kleinen Handvoll ausgesuchter Händler geführt. Sie bieten in der Regel DNM-Elektronik und Reson-CD-Player sowie Analoglaufwerke von Reson und DNM-Verkabelung (Tri-Wiring) dazu an. In dieser Konstellation habe ich auch überwiegend gehört, wenngleich sich die RK 145 ob ihres enormen Wirkungsgrades mit wenig Röhrenwatt zufrieden gibt. In solchen Fällen schlagen Triodenherzen höher. Sie können an einem solchen Wandler all ihre Vorteile ausspielen. Auf mögliches Tuning habe ich getrost verzichtet, weil alle von mir gehörten Konstellationen vom Fleck weg hervorragend harmonierten und solche Maßnahmen überflüssig zu machen schienen.

Kommentar

So unkonventionell wie Weber Rehde seine Lautsprecher plant und herstellt, so unkonventionell habe ich meinen musikalischen Einstieg gewählt. Nichts audiophiles, nur etwas zum beiläufigen Genießen, wenn man denn Khadja Nin (BMG) mag. Die afrikanische Sängerin verbindet auf “Ya...” heimische Folkore mit europäischen Synthie-Klanglandschaften. Einprägsame Melodien werden getragen von einem bombastisch elektronischen Unterbau. Das ist Musik für den Abend am Kai, wenn man auf das weite Meer schaut und die Seele baumeln läßt. Über audiophile Testsiegerboxen wiedergegeben, schmilzt das Klanggemälde zu einer undefinierbaren Soße zusammen und verliert völlig seine Aussagekraft. Die RK 145 staffelt hingegen in die Tiefe, kehrt das Innere der Musik nach außen und macht das ganze oberflächliche Spektakel anhörbar. Selbst die schwülstige Coverversion von “Sailing”, dem Erfolgssong von Rod Stewart, gewinnt dieses besondere Flair, das flockig-lockere Popsongs ausmacht. Der deutsche SAM-Vertrieb hatte nicht übertrieben, als er mir sagte, ich könne hören, was ich wolle. Die Resultate fielen alle gleichermaßen gut aus. Ich bin ob meiner Skepsis nun eines Besseren belehrt und wende mich “Berlin Affair”, einer Aufnahme von MBL, zu. Das wohltemperierte Klavier klingt sehr natürlich. Die angeschlagen Saiten schwingen jederzeit schnell aus, verzerren nicht und klingen eben wie die eines großen Konzertflügels mit einem ansatzweise warmen Timbre. Die Theorie, daß Lautsprecher Instrumente sein müssen, ist folglich wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. An die Beck-Röhren-Vor-/Endstufe angeschlossen pulsiert die Musik noch mehr, weckt ein wenig mehr Emotionen. Eine weitere Steigerung dieser Eigenschaften ist nach meinen persönlichen Vorlieben durch den Einsatz von Triodenverstärkern zu erreichen. Der extrem hohe Wirkungsgrad erfordert nur geringe Leistung und somit ist deren Schwachstelle, die fehlende Schubkraft in den tieferen Lagen, keine wirkliche. Bei Susana Baca (TSD) reagiert die RK 145 in geradezu bewunderswerter Art und Weise. Sowohl Stimme wie auch das weit hinten im Raum stehende Klavier verlieren nichts von ihrer Natürlichkeit. Doch unabhängig von der ansteuernden Elektronik überzeugt dieser Lautsprecher durch ein freies Aufspiel. Ich vermute, das Resonanzverhalten des Lautsprechergehäuses ist auch nicht ganz unschuldig an diesen Klangeigenschaften. Das nötigt insgesamt Respekt ab.
Stimmen oder einzelne Instrumente wirken nie aufdringlich. Sie nehmen in der richtigen Höhe ihren Platz auf der Bühne vor dem Zuhörer ein. Je besser die Aufnahmequalität, desto besser spielt dann auch die Rehdeko. Sie versteht es, im Baßbereich gehörig Druck zu machen (Jennifer Warnes, Supertramp, Jeff Hamilton Trio), ohne an Konturenschärfe einbüßen zu müssen. Selbst bei hohen Lautstärken verdichtet sich das Klangbild nicht in den oberen Etagen. Die 145er spielen stets streß- und verzerrungsfrei. Ich habe nie den Eindruck gehabt, daß sich die klassischen SAM-Ketten an typisch highfidelen Maßstäben orientieren: sie setzten eigene musikalische. Dadurch wird dieses Konzept erst in sich rund. Es erfordert allerdings erfahrene Hörer, die solche Qualitäten zu schätzen wissen. Mit einer Bewertung durch immer wieder gern benutzte mathematische Einheiten kann man einer Rehdeko eigentlich nicht beikommen. Sie ist halt wesentlicher Teil einer in sich schlüssigen Kette, die Elektronik und jegliche Form von Zubehör mit einschließt. Dafür steht dann der spezialisierte Fachhandel zur Verfügung, dessen Beratung der interessierte Käufer benötigt. Denn ansonsten wird er wohl nie das gesamte Potential dieser “Instrumente” voll ausschöpfen können.
Charakter: Egal ob man diese Lautsprecher liebt oder haßt, man kann ihnen nicht absprechen, ausgezeichnet zu musizieren. Es gibt soetwas wie einen inneren Fluß, der den Zuhörer mitzureißen versteht. Unabhängig von der Stilrichtung geben die Rehdekos alles auf einem gleich hohen Niveau wieder. Ich kenne nur wenige Lautsprecher, die dazu in der Lage sind. Unbedingtes Muß sind aber die Ständer Reson domo 145. So gesehen hat Weber Rehde eines seiner wichtigsten Ziele erreicht, zumal es an der Auflösung und der räumlichen Abbildung nichts auszusetzen gibt.
Die RK 145 harmoniert sehr gut mit den DNM- und Reson-Komponenten und wird in dieser Konstellation sicherlich viele Freunde finden. Ich persönlich habe noch lieber mit Unison Research- (845 Simply) oder Klimo-Röhrengeräten (300-B/Beltaine) gehört (etwas mehr Flair). Der Lautsprecher unterstreicht lupengleich die Eigenschaften seiner Partner und hebt ihre Stärken hervor. Von daher bedarf es aber auch der sorgfältigen Suche, um in der Summe ein sauberes Zusammenspiel garantieren zu können. Leistungsmäßig problemlos, klanglich sehr anspruchsvoll, so lautet meine Einschätzung. Ich habe die RK 145 in allen Lebenslagen kennengelernt und sie hat meinen Erfahrungshorizont erheblich erweitert.
Fazit: Zwar mag das etwas altbacken erscheinende Design abschrecken, der betriebene bauliche und handwerkliche Aufwand aber rechtfertigt sehr wohl den Preis. Außerdem gehe ich davon aus, daß ein Lautsprecher wie die RK 145 nicht in riesigen Stückzahlen die Besitzer wechselt, was immer in eine Kalkulation mit einfließt. Wer sich für sie entscheidet, hat mit dem Rest der Branche (aber nicht mit der Musik) gebrochen und hakt für sich dieses Thema ab. Er hat den Lautsprecher des Lebens gefunden. Eine Veränderung mag es vielleicht geben: Man steigt nochmals innerhalb der Produktlinie auf. Besitzerstolz und Zufriedenheit sind bei Rehdekohörern besonders hoch, was sich auch darin zeigt, daß diese “Instrumente” auf dem Second-Hand-Markt so gut wie nicht erhältlich sind.

MK

Das Produkt: RK 145
Preis: 10.600 DM
Maße: 39 cm (B) x 66 cm (H) x 29 cm (T)
Ständer: Reson domo 145 (Paar) 950 DM
Vertrieb: SAM GmbH, S6,37-38, 68161 Mannheim, Tel: 0621-103217, Fax: 0621-154750