HÖRERLEBNIS 43


Vor-/Endstufe von Linn: Kolektor/LK 140

The Swingin' Team

von Andreas Limbach

"Linn ist eine Religion - glaube oder sei unwissend!" Etwa so wurde der Ruf der Firma Linn früher interpretiert und so wird er selbst heute noch oft verstanden. Soll ich mich wirklich an eine Religion wagen, mich also mit jedem geschriebenen Wort der Gefahr der Blasphemie aussetzen, oder sind es doch "nur" durchdachte Produkte einer unbestreitbar edlen High-Tech-Company aus dem Herzen Schottlands? Nun, wenn eine Firma seit 30 Jahren besteht und im Laufe dieser Zeit Marktanteile deutlich ausbaut, kann dies eigentlich nur bedeuten, daß das geistige Oberhaupt namens Ivor Tiefenbrunn sein Handwerk versteht, oder?
Linn verpackt sein “Team” übrigens in stabile Kartons, die Vorstufe gar in einen mit Pappausbuchtungen. Es wird zur Fixierung kein Styropor verwendet. Da wage einer zu sagen, die Schotten seien Umweltsünder oder gar Verschwender... Die Vorstufe, ziemlich schick auch in der silbernen Ausführung, besitzt zehn Eingänge, wovon einer als MM-Eingang dienen kann. Über die Fernbedienung (ganz, ganz wichtig bei diesem preamp) werden die persönlichen Einstellungen gespeichert. Nicht benutzte Eingänge könnte man sozusagen ausblenden, d.h. bei der Anwahl werden nur noch die zuvor gewünschten Eingänge (hier stehen auch wieder verschiedene Bezeichnungen zur Verfügung) vom Mikroprozessor angesteuert. Weiterhin lassen sich Pegelunterschiede zwischen den Eingängen ausgleichen. Das sind beispielsweise Features, die auf den ersten Blick unnötig erscheinen mögen, die sich aber in der Praxis sehr bewähren. Ebenso kann man der Vorstufe “mitteilen”, ob das neue und stolze “linnsche” Besitzerherz analog schlägt oder ob die betreffenden Anschlüsse als CD-Eingang genutzt werden sollen. Denn die Phonoplatine ist integriert und braucht nur aktiviert zu werden: geniale Idee.
Enttäuschend für Haptiker, gut für die Verschleißfreiheit: Es gibt keine Drehknöpfe oder Potis - alles regeln Mikroprozessoren. Als da wären: Balance, Baß und Höhen, Eingänge, Lautstärke und Muting.
Es gibt weiterhin einen Tape-Ausgang und drei(!) Audioausgänge für
1. Triamping, aktiv/passiv oder
2. Multiroom oder
3. Triwiring.
Was da vor einem steht, läßt keinen Zweifel daran, daß es sich um ein echtes Multitalent handelt. Kann da die Endstufe mithalten? Sie besitzt neben einem Cincheingang auch einen Ausgang, der wahlweise für
1. die Multiroomlösung oder
2. Bi-Amping genutzt werden kann.
Zudem verfügt sie über zwei Lautsprecherausgänge(Bi-Wiring?) pro Kanal sowie einen Spannungssignalschalter, der die Empfindlichkeit der Endstufe regelt. Das ist eine äußerst sinnvolle Einrichtung. Fällt kein Signal an, tritt automatisch der Standby-Modus in Kraft, der sich bei neu zugeführtem Pegel wieder verabschiedet. Die LS-Anschlüsse sind nur per BAF-Stecker (die CE-Norm läßt grüßen) verfügbar. Bananenstecker haben hier leider nichts mehr zu suchen. Es sei denn, man begnügt sich mit Labor-Bananas, die dann doch passen. Beim werkseitig konfektionierten Linn LK 400 wackelt auf jeden Fall nichts. Die Stecker sind gecrimpt (Kaltverschweißung). Leider habe ich diese Kombination nicht aktiv gehört. Da ich allerdings weiß, wie sich beispielsweise eine Ninka positiv verändert, ist diese Aufrüstung nur zu empfehlen. Die Schotten können was ...

Kommentar
Als Signalquelle dient mein Cary CD 301, als NF-Kabel das Linn Silver und zwischen Vor-/Endstufe das Beipack-NF-Kabel von Linn (beileibe kein 08/15-Kabel, wie man es eigentlich gewöhnt ist, sondern auch unter Anlegung audiophiler Kriterien sehr brauchbar. Klar, die Unterschiede zum Silver sind deutlich hörbar, aber dafür ist es konstenloses Beiwerk. Anschließen und starten ins Hörvergnügen, so muß es sein).
The Chieftains - diese CD habe ich erworben, als vor Jahren auf einer High-End ein netter Schotte meiner Frau den CD-12 schmackhaft machen wollte - da wir aber nicht das nötige Kleingeld hatten, sollte es wenigstens die zur Vorführung verwendete CD sein: "The Long Black Veil". Hier trifft die traditionelle Musik der Iren/Kelten auf neuzeitliche Interpreten - eine vortreffliche Symbiose. Sinéad O'Connor gibt ihr Bestes bei "The Foggy Dew". Die Stimme hat gleichzeitig etwas zerbrechliches, aber auch sehr soveränes. Das wird ungefiltert wiedergegeben, und wenn nach dem Intro dynamische Trommeln einsetzen und die Stimme nicht von ihnen überdeckt wird, jede noch so kleine Klangverästelung wahrnehmbar ist, dann möchte ich immer dieser Darbietung live beiwohnen. Oder genügen mir etwa doch die Linns? Diese CD habe ich unüblicherweise vom Anfang bis zum Ende gehört und mich köstlich am Klangbild ergötzt. Das Booklet gibt nähere Auskunft: "This song was written in tribute to the men who died in the Easter uprising of 1916"... Anscheinend hat sich die schottische Anlage auf die Fahne geschrieben: "Never stop the swing!".
Kurzform: Stimme sehr prägnant, gestaffelte Trommeln, die zum Appell rufen, kräftig und doch nicht “blubbernd” sowie eindringliche Fiedeln und, und, und...
Ein Wechsel zu meinem Lieblingsgenre, dem Blues. Dr. John, "Anutha Zone": Der Groove der CD wird von den beiden Linns nicht im geringsten gemindert, sondern mächtig und extrem würdevoll wiedergegeben. Diese Art des Südstaatenblues gefällt mir ganz besonders, hier brauche ich nichts mehr zu sagen, oder....? Die Stimmabbildung ist extrem gut, die Raumzeichnung ebenfalls. Hey, die schiebt, die Endstufe. Als wolle man mir sagen: "Was willst Du denn mit dieser leichten Kost, da müssen schon Hinkelsteine kommen, kein Kleingeröll." Die Antwort läßt nicht auf sich warten. Wieder ein Wechsel, den ich eigentlich immer gerne mache: Blake C, "Nightmarket". Wenn diese sphärischen Klangschnipsel auf mich eindringen, die erste Baßlinie erscheint, der Pegel sich immer mit neuen Rekorden meldet, ohne daß mein Gehör leidet - auch hier habe ich schon anderes erlebt - und sich die zweite von der ersten Baßlinie gut abhebt, beide zusammen aber den eigentlich sterilen Sound vorantreiben, es kein Nachgeben gibt, wie man es gemeinhin von kleinen Geräten gewohnt ist - tja, dann freue ich mich schlicht und ergreifend über das Resultat der gebotenen Ingenieurskunst.
Doch gemach, die Linn-Brüder sind nicht nur für grobschlächtiges Musikmaterial gebaut.
Von Naim höre ich mir daraufhin auf "The Sampler" den Titel "Wait" von Ted Siota's Rebel Souls an. Instrumente: Kontrabaß, Saxophone, leichtes Schlagzeug und Gitarre. Die Natürlichkeit des Stücks bleibt mir auch deshalb gut in Erinnerung, ist es doch mit einem lockeren Swing behaftet - meisterhaft vom Linn-Duo zu Gehör gebracht. Das Ausschwingen der einzelnen Instrumente wird deutlich wahrgenommen, hier lebt die Musik, weil die Kommunikation der Musiker untereinander hervorragend klappt. Auch ist immer genügend Luft um sie herum - sie spielen sich regelrecht frei, nichts beengt sie. Übrigens: Ein Naim-Sampler spielt ohne allergische Reaktionen über Linn-Komponenten - für mich, der ich persönlich von derartigen "Religionen" ja sowieso nicht viel halte, normal. Aber für alle "Gläubigen" habe ich dies extra erwähnt.
Jede einzelne Facette und jedes Griffgeräusch wird ungefiltert und ungemein klar an meine Lautsprecher, die keine schwere Last für die LK 140 darstellen, weitergegeben. Faszinierend sind die Emotionen, die mir "Dedicato" von Antonio Forcione vermittelt. Dies ist etwa vergleichbar mit Keith Jarrett's "Köln Concert", Part 1 -aber nur vergleichbar, da dieses Stück mir noch viele kleine Aspekte aufzeigt, die das zuvorgenannte Lied nicht bieten kann. Einfach zuhören und wegtauchen. Ideal, um dem "alltäglichen Müll zu entfliehen". Diesem Spruch von Wim Wenders, habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Selbstverständlich produziert auch Linn sehr gute CDs. Bestes Beispiel auf dem Sampler "The Celtic Experience Vol 3." ist "Gipsy Celtic". Ist der Anfang noch traurig gespielt von einer Art Querflöte, kommt dann die Gitarre hinzu, die fröhliche lateinamerikanische Rhythmen hinzufügt. Drums treiben schließlich den Song voran und ich habe richtig Spaß beim Zuhören.
Ich möchte noch auf einige Stücke von unserem Experten für südamerikanische Musik, Winfried Dunkel, zu sprechen kommen. Die Kompaktheit des Klangbildes gefällt mir sehr gut; über die Aufnahme selbst und die verwendeten Techniken könnte unser Chefredakteur sicher Romane schreiben. Mir dagegen geht's nur darum, wie es auf mich wirkt. Mit zwei Worten: ‚Einzigartig' und ‚wunderbar'. Wenn Cajón im Hintergrund klar und deutlich zu vernehmen ist, Susana Baca mittig davor und rechts hinter ihr der Gitarrenspieler steht, dann stimmt die Raumaufteilung und ich lausche der kleinen, dunkelhäutigen Schönheit, die mit jedem Stück besser zu werden scheint, gebannt. Es ist so direkt und das macht die besondere Qualität dieser Aufnahmen aus.
Ein Lieblingsstück noch von mir - "In the hall of the mountain king" aus dem "Peer Gynt" von Edvard Grieg, op. 23, No.7, dirigiert von O. Fjeldstad mit dem LSO. Was hier so leise beginnt und im Rausch endet, wird von den Linns glaubwürdig rübergebracht. Die Steigerung der Tempi und die allgemeine Dynamik offenbaren sich, jeder Zufluß an Energie wird deutlich. Recht so.
Fazit: Jede noch so kleine Gemeinheit quittieren mir die Linn-Geschwister (im übertragenen Sinne) mit einem Grinsen. Wir schenken uns nichts, aber es macht einfach saumäßig Spaß, dieser Kombi, der einfach nichts zu leicht oder zu schwer ist, zu lauschen. Ivor Tiefenbrun weiß offensichtlich gut Bescheid, wie man Komponenten preisgünstig und trotzdem gut klingend bauen kann. Kompetenz zeigt sich nun mal gerade in der Entwicklung und Herstellung bezahlbarer Produkte. Am anderen Ende der Preisskala ist Linn jedoch ebenso zuhause: Ist man doch auch Ausstatter von Aston Martin und Prinz Charles. Wie auch immer und egal in welcher Liga: Den Verstärkerbau beherrscht das schottische Team am Clyde aus dem Eff-Eff. Und gut beraten ist der, der an diese Religion glaubt.

AL

Die Produkte:
Vorstufe Linn Kolektor/ Endstufe Linn LK 140
Abmessungen jeweils (B x H x T): 32 cm x 8 cm x 32,5 cm
Leistungsangaben der Endstufe: 95W/Kanal an 8 Ohm bzw. 140W pro Kanal an 4 Ohm bei einem Gewicht von 7 kg
Preise
LK 140: 1.280 Euro,
Kolektor: 870 Euro
Vertrieb: Linn Deutschland GmbH
Albert Einstein Ring 19
D-22761 Hamburg
Tel.: 040-8906600
Fax: 040-89066029
e-Mail: info@linngmbh.de
Internet: www.linn.co.uk

gehört mit:
CD-Player:
Cary Audio CD 301
Vollverstärker: Unison Research S 2
D/A-Wandler: Audio Alchemy DDE 1.1 (modified by Clockwork Audio)
Lautsprecher: CD Konzertmöbel Bella Luna
Zubehör: Shakti Stone, Mission Isoplat, Focul Pods, Naim Steckerleiste, Groneberg Netzkabel, NF-Kabel von Bastanis (Epilog) und Burmester (Lila) sowie DNM und MIT (T 5), LS-Kabel von Cambridge Audio (Linea 4, mit C-37-Lack behandelt) und Phonosophie (LS 4)