HÖRERLEBNIS 45


Autorenportrait: Winfried Dunkel

Ein bißchen(?) verrückt muß man schon sein...

Kriminalmajor Adolf Kottan: "Alles, was ich bin, habe ich ausschließlich mir selbst zu verdanken."
Seine Frau: "Wenigstens gibst keinem anderen die Schuld!"
(Aus: Kottan ermittelt - Wien Mitte; Regie: Peter Patzak; Österreich, 1976)

Von ungefähr wählte ich das obige Zitat nicht aus - nur mir selbst habe ich es zu verdanken, daß der Löwenanteil meines Einkommens in die Hände von Herstellern und Verkäufern elektroakustischen Geräts floß, ich mich heute in einer Mietwohnung so zugebaut habe (gemeint ist mein Sanktuarium, sprich: Tonstudio), daß ein Umzug einer Katastrophe gleichkäme. Nein, ich gebe keinem anderen die Schuld für meine Verrücktheit, obwohl: manchmal frage ich mich schon, warum mir nie jemand sagte, es wäre gescheiter, Briefmarken zu sammeln... Charles Bukowski hätte den Schrieb hier gewiß "Bekenntnisse eines hochkarätigen Irren" übertitelt; und ich gestehe freimütig, daß es mich oft in den Fingern juckt, Hörberichte in seinem Stil zu verfassen. Wenn wir Schreiber dieser Publikation uns nun schon outen, dann seien dem geneigten Leser derlei Gedanken nicht verschwiegen.
Eigentlich sollte diese Autorenvorstellung ein bis zwei Seiten umfassen - doch wie soll ich mehr als dreißig Jahre High Fidelity in solcher Kürze umreißen? Das wird also länglich geraten; bitte um Verständnis. Ich werde mich bemühen, eine unterhaltsame Story zu schreiben - wohlan!
Anfänglich verlief meine highfidele Entwicklung völlig normalüblich: Ein steiniger Weg mit ständiger Steigung. Es begann anno 1970. Ein Buchclub offerierte eine Hifi-Anlage auf Weltniveau. Da ich seinerzeit mit der Idee schwanger ging, mich in die fremdartige Szene namens "High Fidelity" zu stürzen, rannte genanntes Angebot bei mir die vielzitierte offene Türe ein. Für lächerliche 860 DM (bei 1300 DM Monatslohn) erwarb ich ein "Philips Electrophon": Einen Plattenspieler mit Riemenantrieb (!), integriertem Verstärker (2 x 8 Watt) und zwei klangstarken Zweiweg-Flachboxen, welchselbige, an der Wand montiert, über massive 2 x 0,75er Litzen angeschlossen waren - verstärkerseitig mit DIN-Lautsprechersteckern versteht sich. So, da stand das Prachtstück ... ach ja: Schallplatten braucht man auch noch...! Das erwies sich als echte Crux: Schallplatten waren richtig teuer: 1970 kostete eine LP genauso 25 DM wie später auch (von audiophilen Schätzchen, die es in jener Zeit noch nicht gab, einmal abgesehen). Schallplatten kaufen ... welche? Von Musik hatte ich dunnemals absolut noch keine Ahnung. Was machte der Ahnungslose? Drei LPs von und mit James Last erwarb ich, weil, so der Fachverkäufer, die einen "tollen Sound" hätten. Hatten sie wirklich - ich besitze sie heute noch; von E-Musik war ja auch nicht die Rede...
Dann wurde ich "geschmackssicherer": Operettenquerschnitte, Opern-Ouvertüren und Auszüge aus Millöckers "Gasparone" wiesen den Weg (?) in die "Klassik". Wen wundert's, daß Frust und Unlust um sich griffen? Per Zufall - wie gesagt: ich hatte null Ahnung von Musik - fand ich beim Fachhändler unter "Sonderangebote" eine LP zum Spottpreis von 12 DM: "Porgy and Bess" von Gershwin. George Gershwin - da hatte ich schon 'mal von gehört. Hmm, alte Aufnahme - 1958! - aber Stereo, dann geht es ja wohl. Und zwei der Interpreten kannte ich als Schauspieler bzw. Entertainer aus dem Fernsehen: Sidney Poitier und Sammy Davis jr. Diese Schallplatte war sozusagen die Initialzündung: Zum erstenmal erkannte ich unbewußt, was Interpretation, was Musik, was Ausdruckskraft bedeutet, ahnte, welch' großartige Scheibe ich da erworben hatte. Und ich kapierte: Lesen, lesen, lesen - und hören, hören, hören! Covertexte lesen, Fachliteratur kaufen, ausleihen, abschreiben, kopieren - die Fachliteratur mit den Covertexten vergleichen, die beschriebene Musik hören und verstehen wollen. Auf diesem Pfade (oder sollte ich besser sagen: in diesem Labyrinth?) war mir seit 1972 die Fachzeitschrift "Hifi-Stereophonie" zuverlässiger Wegweiser und Begleiter; die Musikartikel von Wolf Rosenberg, Kurt Blaukopf, Ulrich Schreiber, Alfred Beaujean, Hans-Klaus Jungheinrich und Karl Breh schufen ein Fundament des Begreifens; die Rezensionen ermöglichten mir als Anfänger gezielte Käufe, bei denen ich zumindest musikalisch nicht danebenlag. Daß ich gleichwohl etliche mit Höchstbewertungen versehene und positiv beschriebene Schallplatten erst Jahre später begriffen habe, sei zugegeben.
1972 ging's so richtig los: Ein Braun Regie 510, zwei Lautsprecher von Wharfedale (Dovedale III) und ein Plattenspieler der "absoluten Spitzenklasse", namens Dual 1229, zierten mein Wohnzimmer. Lesen bis zum Sternchensehen, das Gelesene "erhören", Schallplatten kaufen und Sekundärliteratur "verschlingen" (vieles erschließt sich mir erst mit der Kenntnis historischer und kultureller Zusammenhänge) - damit gingen Geld, Monate und Jahre hin. Dann, 1975, mußte 'mal wieder aufgerüstet werden: Der Dual 1229 wich einem Sony TTS 2250 mit Direktantrieb; zwei Boxen Canton LE 900 machten, "befeuert" vom Power-Receiver Tandberg 2075 (2 x 120 W - das mußte sein...), ordentlich Druck im Hörraum. Besser geht es nicht, dachte ich, zumal meine erste richtige Tonbandmaschine in der Anlage werkelte: eine Akai GX 600.
Es folgte zunehmender Austausch mit Gleichgesinnten, ein Hifi-Club wurde gegründet: Die "High Fidelity Interessengemeinschaft". Und das brachte Wissens- und Informationsvorsprung. Unsere Mitglieder korrespondierten mit den USA und England, lasen französische, amerikanische, englische und dänische Fachzeitschriften - und wir trugen unsere Erkenntnisse in einer clubinternen Zeitschrift zusammen. Übrigens zählte auch Klaus Renner, der spätere Herausgeber von DAS OHR, zur aktiven Mannschaft. Wie schon mal gesagt: Wir machten ganz schön Wirbel in der Szene. Selbstredend folgte die Anschaffung von Einzelkomponenten: Irgendwann in 1977 war ich stolzer Besitzer von Audiolabor VV 2020, ES 2075, Spendor BC 3, Audiocraft AC-300, Ultimo 20 B - und ein guter Tuner (Sansui TU 9900) mit Rotorantenne brachte Rundfunksendungen ins Haus, u.a. das "Rundfunkkolleg Musik", dem ich nicht nur weitere Erkenntnisse verdanke, vielmehr weckte diese Sendereihe das Interesse, mehr noch: das Bedürfnis, Musik viel häufiger als vorher live zu hören. Zahllose Besuche von Konzertveranstaltungen, auch solchen mit weniger befähigten Interpreten, schufen Verständnis, ließen Vergleichs- und Urteilsfähigkeit langsam reifen.
Ach ja, ehe ich's vergesse: Alle Geräte standen auf einem selbst entwickelten und in kollegialem Teamwork handgefertigten Spezialtisch mit fünfteiligem Traggestell aus 30mm-Vierkantstahlrohr. Höhenverstellbare Gummifüße, separate Sandwich-Platten mit Schaumgummi-Zwischenlagen und Höhenjustage via Flügelmuttern ermöglichten exakt waagerechte, resonanzbedämpfte Positionierung jeder daraufstehenden Komponente. Sie sehen: Die Idee mit den Racks und Basen ist so neu nun auch wieder nicht...
Immer nur zuhören? Warum nicht selbst musizieren? Mitte 1976, meine Bandmaschine hieß jetzt Tandberg 10 XD (Zweispur, 38 cm/s), lernte ich ein Ensemble für Alte Musik kennen und damit diese faszinierenden Klänge, die mich noch heute begeistern. Als eifriger Besucher seiner Konzerte, später durch erlaubte Live-Mitschnitte, fand ich Kontakt zum Leiter der Gruppe - langer Rede kurzer Sinn: Er bot an, mir kostenlos Blockflöten-Unterricht zu geben. Ich sah mich nach wenigen Monaten schon fast als angehende Konkurrenz für Hans-Martin Linde, leider jedoch bin ich, was Instrumentenbeherrschung angeht, ebenso unbegabt wie übungsfaul. Nach etwa einem Jahr erkannte ich, daß mein Platz auf der anderen Seite der Mikrophone ist - wenigsten aber hatte ich rudimentär Notenlesen gelernt...
Und die Beschäftigung mit der Musik gestaltete sich, dank zunehmender Fachkenntnisse sowie - für damalige Verhältnisse - guter Wiedergabegeräte, immer erlebnisintensiver.
1977 - das Jahr, welches mich unwiderruflich in die "Szene" integrierte: Zunächst lernte ich einen Konzertorganisten kennen, der Spaß an der High Fidelity hatte. Überflüssig zu sagen, daß ich nun Band um Band mit Orgelmusik "füllte". Da besagter Organist sein Metier virtuos beherrschte und auch Verständnis für die Technik besaß, experimentierten wir gemeinsam aufnahmetechnisch fleißig herum, mit dem Erfolg, daß nach und nach Aufzeichnungen entstanden, die anhörbar waren, dann professionell gelangen. Dazu trug auch die Tatsache bei, daß er mir in seiner Eigenschaft als Musikschuldirektor es ermöglichte, zahlreiche Konzertveranstaltungen mitzuschneiden, wodurch ich nicht unerhebliche praktische Erfahrungen sammeln konnte.
Im gleichen Jahre wurde Hannes Scholten, Chefredakteur der in Gründung befindlichen Fachzeitschrift Audio, auf mich aufmerksam und bot mir eine nebenberufliche Tätigkeit als Schallplattenrezensent an. Kein Problem - ich "konnte ja Blockflöte" und war halbwegs belesen. Gott, was war ich frech! Lese ich heute meine seinerzeitigen Artikel, werde ich oft genug schamviolett... Spaß hat es aber doch gemacht - und meine Schallplattensammlung profitierte von den Rezensionsexemplaren, die ich behalten durfte. Infolge einer Unlustphase gab ich die Schreiberei 1980 auf - endgültig, wie ich dachte...
1980 eröffnete ich, eine Bandmaschine Revox A 700 CCIR, zwei Peerless-MB-Kondensatormikrophone und zwei Stative im Besitz, eine (wiederum nebenberufliche) Firma: den Weltkonzern "Tonstudio W. Dunkel". Damit befand ich mich nolens volens auf der Seite der "Macher". Es kamen tatsächlich nach und nach Aufträge 'rein, und wo mein Equipment nicht ausreichte, lieh ich Fehlendes aus.
Der Orgel war ich unterdessen treu geblieben - 1979 fertigte ich meine erste professionelle Aufnahme mit Almut Rößler im Limburger Dom, im Auftrage der Schallplattenfirma Motette Ursina - was mich übrigens zu o.g. Firmengründung motiviert hatte. Ebenfalls '79 folgte eine Orgeleinspielung für Fono-Münster (Werke von Reubke und Dupré), die 1981 gar den "Preis der Deutschen Schallplattenkritik" erhielt.
Als Klaus Renner 1982 DAS OHR gründete, war ich natürlich dabei - ergo: wieder zurück an die Schreibmaschine. Es führte zu weit, wollte ich alle Erlebnisse und Breakpoints auflisten, doch sah ich deutlich, wie sehr mir das jahrelange Lesen, Studieren und Probieren, die Seminarbesuche, der Umgang mit Mikrophon und Tonband, als Autor behilflich waren - und heute noch sind. Das führte dazu, daß meine Hörberichte zunehmend auf tontechnischen Erkenntnissen basierten, ich mich später starkmachte für die neue DAT-Technik. Musikalisch lief es bereits mehrgleisig, denn 1979 hörte ich die in Heft 30 von mir erwähnte Rundfunksendung mit südamerikanischer Musik, was eine neuerliche "Zündung" ausgelöst hatte...
Ja, und im Januar 1982 kam ich auf die irre Idee, nach Südamerika (genauer gesagt nach Perú) zu reisen, um dort vor Ort Musik mit Einheimischen live aufzuzeichnen. "Wie willst du den Leuten denn sagen, was du möchtest?", fragte mich ein Kollege, dem ich leichtsinnigerweise von jenem hirnrissigen Plan erzählt hatte. (Überhaupt - und das haben Sie vielleicht selbst schon festgestellt - gilt man im Kollegenkreis als leicht deppert, wenn man mit abgehobenen Ideen kommt, bzw. eine aus dem beruflichen Rahmen herausfallende Nebentätigkeit ausübt. "Der Dunkel hat einen an der Waffel", so die Flüsterpropaganda im Betrieb...) Aber denen würde ich voll einen reinwürgen - zwischenzeitlich hatte ich die Werke von Bukowski kennen- und lieben gelernt -, weshalb mir obiger Gedanke in eben dieser Formulierung durch den Kopf irisierte. Telegrammstil: Nach mehreren Fehlschlägen Kontakt zur Uni Bonn gefunden, bei dortiger Letztsemester-Studentin Unterricht in der südamerikanischen Indianersprache Quechua erst genommen, dann genossen, Sommer '83 mit noch lückenhaften Sprachkenntnissen, aber trainiert im sprachlichen "Brückenbauen", nach Perú gereist (mit geliehener Profi-Reportagemaschine Nagra IV-S und Schoeps-Mikrophonen), musikalisch tolle Aufnahmen gemacht, viel über Land, Leute und Musik gelernt.
Die Quechua-Sprache hat etwas faszinierendes, also weiter studiert bis 1986. Was mich in den Stand setzte, 1985 meine Schallplatten-Edition "Lieder und Tänze der Inka-Nachkommen" (heißt auf Quechua "Inkarunapa Churinkunapa Takinkuna") herauszugeben: zwei LP im zwölfseitigen, zellophanierten Doppelcover - bei meiner Bank kannte man mich sozusagen mit Vornamen... Nein, das ist keine Schleichwerbung, die Platte ist nämlich restlos vergriffen - sogar ihre Gestehungskosten hat sie hereingebracht!
Was ansonsten noch in Sachen "Sprache" gelaufen ist, gehört, da eine Hifi- und Musikzeitschrift, nicht hierher, doch werden Sie gewiß bemerkt haben, daß ich in meinen diversen Aufsätzen immer Gelegenheiten finde und nutze, entsprechende Schlenker einzubauen...? Diese latente Lust an sprachlichen Spielereien und gewagten Wortkonstruktionen vermag ich nicht beiseite zu schieben; jeder, der mir dieserhalb gram ist, sei um Verständnis gebeten. Das meint gleichermaßen auch meine anankastische Herangehensweise, wenn es gilt, Cover- und Booklettexte, welche sich mit südamerikanischer Musik befassen, auf mögliche Unstimmigkeiten zu prüfen. Bisweilen werden dort kapitale Böcke geschossen. Da erweist sich die Kenntnis der sensiblen Quechua-Sprache als sehr hilfreich - dennoch: das, was man umgangssprachlichen Nutzwert nennt, kann sie hierzulande nicht bieten, weshalb ich mir manchmal vorkomme wie der "Held" in Heinrich Bölls Kurzgeschichte "Im Land der Rujuks"...
Anno 1983 erfüllte ich mir einen großen Wunsch: Es ergab sich die Gelegenheit, einen erst vier Jahre alten Plattenspieler EMT 930st mit Rundfunkkonsole zu erwerben. Zugegeben - erst lange später begriff ich völlig, welches Traumteil ich da besaß, und immer noch besitze und vor einiger Zeit mit beträchtlichem Aufwand aus seinem (durch den Vorbesitzer) verbastelten Zustand in die ARD-typische Form mit integrierten Phono-Entzerrer-Verstärker sowie Hochlauf-Stummschaltung (bei Fader-Start) zurückversetzte. Dieses Gerät war letzten Endes die Manifestation für meinen "Studiotechnik-Tick", der durch die schon 1981 erfolgte Anschaffung der professionellen aktiven Regiemonitore Spendor BC 1 A/ARD seinen ersten massiven Anstoß erhalten hatte.
1988 begann ich, in meinem gerade bezogenen neuen Domizil, einen Raum als Studio auszubauen; mit entsprechendem Akustikbau-Material und viel Arbeit, soll heißen: Irrungen und Wirrungen. Im Jahr darauf aber stand die Akustik wie die oft zitierte Eins: Der quadratische Raum ist akustisch "weg", ich höre die Aufnahme (oder, bei Bedarf, zu untersuchende Komponenten) und sonst nichts. Sound und ihn erzeugende periphere Einflüsse sowie natürlich Produkte sind mir ein Greuel - dies als persönliche Meinungsäußerung.
Als Klaus Renner 1991 starb, verloren wir mit dieser charismatischen Persönlichkeit auch ihr geistiges Kind - DAS OHR erschien nicht mehr. Kurz danach wurde das winzig kleine Blatt namens High End Forum aus der Taufe gehoben, wo ich ab Heft 7 mitarbeitete, und aus dem schlußendlich das HÖRERLEBNIS hervorging - obwohl ich seit Klaus Renners viel zu frühem Tode nie, nie mehr schreiben wollte. Doch gab es noch so viel zu sagen...
Im Jahre 1995 konnte ich endlich einen lange gehegten Traum in die Realität umsetzen: Das eigene Profi-Equipment ... mein eigenes! Seither bin ich glücklicher und rundum zufriedener Besitzer eines portablen, professionellen Mischpultes in ARD-Qualität: Sony-Broadcast MX-P61 (zwölf auf vier Kanäle, mit superbem Klang) und einer gebrauchten, jedoch akribisch und perfekt restaurierten wie eingemessenen stationären Tonbandmaschine Telefunken M 15 - ein handliches Gerätchen mit soliden 53 kg Lebendgewicht. Zeitgleich kamen noch zwei Neumann-Kondensatormikros dazu, die, zusammen mit den schon 1988 gekauften Sennheiser MKH 40, den Grundstock meines Aufnahmegeräts bilden.
1997 brachte den nächsten klanglichen Sprung nach vorne: Mit den aktiven Studiomonitoren Geithain RL 903 (siehe Bericht in Heft 22) habe ich meine letzten Lautsprecher gekauft. Ende 1998 kam, als Ersatz für einen der Sony-DAT-Recorder, endlich ein professioneller DAT hinzu: der Panasonic SV-3800, der mir seither bei Digitalmastering und Aufnahmetätigkeit (hinter Mischpult und separatem A/D-Wandler) vorzügliche Dienste leistet. 1999 schließlich komplettierte ich mein Sanktuarium mit dem direktgetriebenen professionellen Plattenspieler EMT 948 - ja, der ist mindestens so gut, wie ich es in unserer Ausgabe 32 mehr oder weniger erfolgreich zu beschreiben versucht habe.
Kurz zurück nach 1997 - in jenem wahrhaft ereignisreichen Jahr machte man mich zum Chefredakteur dieser Zeitschrift. Mögen die Leser entscheiden, ob der richtige Mann am richtigen Platz sitzt ... I will do my very best...
Das Jahr 2000 neigte sich seinem Ende entgegen. Manchmal gibt's der Herr den seinen im Schlaf, sagt das Sprichwort. In meinem Falle bot die Verkettung glücklicher Zufälle (Details führten hier zu weit) die Gelegenheit, eine Nagra IV-S, jene legendäre Reportage-Bandmaschine, diese "Orgie in Präzisionsmechanik" preisgünstig zu erwerben; zwar rund 15 Jahre alt, doch kaum benutzt und in bestem Zustande: in solchen Fällen darf man nicht zaudern - zupacken und festhalten, lautet die Devise! Das zwischenzeitlich exakt eingemessene Gerät - der Diminutiv "Maschinchen" scheint treffend - kann ich mit Fug und Recht als ein weiteres "Highlight" meines Studios bezeichnen. Zugegeben: Mit Sammelwut und Habenwollen hat's auch etwas zu tun ... und weil die Preise für derlei "Schmankerln" heutigentags auf dem Gebrauchtgerätesektor meist durchaus verkraftbar sind, sehe ich keine Erfordernis, in Verweigerungshaltung zu verfallen...
2001 - die Zeit war reif für einen neuen A/D-D/A-Wandler. Nach Sichtung von Unterlagen diverser Anbieter aus dem Profibereich (was denn sonst?!) fiel die Entscheidung sehr leicht: Das System "DistriCon modular" des Kölner Herstellers RTW mußte es sein. Dieses flache (eine Höheneinheit = 43 mm), schnörkellose, ergonomisch perfekte Gerät läßt sich kundenspezifisch (individuell) konfigurieren, ermöglicht z. B. den Anschluß von fünf digitalen Quellen sowie der Mischpultsumme, womit alle bei mir gegebenen Betriebssituationen abgedeckt sind: Wandlung analoger (aus dem Mischpult kommender) Signale in digitale Formate, Überspielen auf DAT-Recorder, Signaltransfer zwischen CD und DAT, bzw. von einem DAT-Recorder auf den anderen und natürlich selektives Abhören sämtlicher angeschlossener Geräte. All das wird mit ebenso übersichtlichen wie praxisorientierten Rückmeldungen (Statusanzeigen, Leuchttasten) dokumentiert. Die integrierte Jitter-Reduktionsstufe sorgt u.a. für perfekte Datenverarbeitung. Der Klang? Trotz meiner auf mehr denn 30 Jahren Umgang mit Aufnahme- und Wiedergabetechnik basierten Abgebrühtheit gerate ich bei jeder Hörsitzung ins Schwärmen ... RTW DistriCon modular kann all das, was Digital angeblich nicht können soll (oder darf?).
Stichwort "rundum zufrieden": Zweifelsohne stellt das portable Mischpult von Sony-Broadcast ein "Sahnestückchen" in jeder Hinsicht dar, weshalb mir eventuelle Änderungs- bzw. Neubeschaffungswünsche undenkbar schienen ... doch auch im Studiobereich gibt's jene Maden, die sich in Gehirnwindungen einnisten und zu fleißiger Vermehrung neigen. Soll heißen: Bereits zu Beginn meines Faibles für die ARD-Technik, 1981/82, brütete ich stundenlang über der Produktbeschreibung eines Mischpultes, dessen Gestehungskosten mein damaliges Budget jedoch weit überstiegen. Der Hersteller hieß EMT - und der Preis entsprach dem superben Ruf des Hauses. Nicht zu machen, vergessen! Ende 2001 erfuhr ich "um fünf Ecken herum", daß genau dieses Traumgerät namens EMT-Mixsystem 10.00.02 erreichbar war: 19 Jahre alt, praktisch unbenutzt ... für den Bruchteil des ehemaligen Neupreises ... geprüft, restauriert, wie neu ... wer wäre da nicht schwach geworden? Wider alle Vernunftgründe mußte (Betonung liegt auf "mußte") ich mir diesen ebenso lange verdrängten wie unterschwellig permanent gehegten Traum erfüllen, Fazit: ich habe es gekauft. Daß im Nachgang (natürlich) mal wieder erhebliche Umbauarbeiten in meinem Studio (redaktionsintern "Dunkels ewige Baustelle" genannt) angesagt waren, nahm ich hin; ungefähr drei Wochen dauerten die handwerklichen Arbeiten, welchselbige in länglicher Neukonzeption der Stromversorgung und fürwahr entnervender Brummschleifensuche und -beseitigung endeten. Alles, was das Sony-Pult liebte, mochte das EMT-Pult nun gar nicht. Gelohnt hat sich die Frickelei aber doch: jetzt klappt's rundum perfekt und - am wichtigsten! - klangliche Neutralität sowie perkussive Zeichnung (vulgo Schubkraft) legten nicht unerheblich zu.
Ob ich das handliche Sony-Pult veräußern werde, kann ich momentan noch nicht entscheiden. Eventuell in die sprichwörtlichen "guten Hände"? Vielleicht aber richte ich mir ja sogar mal einen zweiten Hörraum ein (mit dem Sony als zentraler Steuereinheit)? "Sag' niemals nie!"
Zwecks Professionalisierung der CD-Wiedergabe stürzte ich mich unlängst in neuerliche Ausgaben, denn seltene Gelegenheiten sollte man beim Schopf packen: Hans-Ludwig Dusch, der EMT-Profi, hatte einen praktisch neuwertigen (sehr wenig benutzten) rundfunktypischen CD-Player vom Typ EMT 981 im Angebot. Das Teil ist schlicht und ergreifend phantastisch. Perfekte Technik, perfekter Klang. Betrieben über den RTW-Wandler ergibt sich das, was man modisch formuliert "Dream-Team" nennt. Und wie es sich gehört, erfolgt die Fernsteuerung (des Players) über eine kabelgebundene separate Tastatur. Damit bin ich nun in der glücklichen Lage, CDs rundum genießen zu können - Musik pur ... von der Silberscheibe ... ja, das geht!
Weitere geräteseitige Pläne? Zur Zeit nicht ... es sei denn ... doch erstmal Schluß! Es macht unbändigen Spaß, mit all diesen Geräten in meinem akustisch gut "funktionierenden" Studio Musik zu hören, zu arbeiten (Kopieren, Digitalmastering etc.), oder sie einfach nur anzuschauen. Das sichere Ufer ... und so kann ich mich ohne jedes technische Fragezeichen weiteren Musikthemen widmen und auch wieder vermehrt "klassische" E-Musik genießen. Für den Musikteil von HÖRERLEBNIS sicher kein Fehler.
Mit einigem Erschrecken stelle ich fest, daß diese Selbstdarstellung noch länger geworden ist, als anfänglich angedroht. Doch wie anders hätte ich über drei Dezennien zusammenfassen können? Und es fehlt dennoch so viel! Rückblickend auf diese mehr als 30 Jahre stehen auf der Habenseite Lernerfolge und Wissenserweiterung, die ich letzten Endes der High Fidelity als auslösendem Moment verdanke: ohne sie wäre alles, alles anders gekommen...

WD